Jan Steen

Es gibt wohl keinen Maler außer Jan Steen, der mit seinem Werk, oder besser mit seinen Themen so identifiziert wird und wurde. Seine immer leicht derangierten Geselligkeiten wurden wörtlich genommen.

Glaubt man A. Houbraken, dem ersten Biographen Steens, dann war dessen Leben eine einzige Komödie (1).

Obwohl nur 40 Jahre nach Steens Tod geschrieben, hatte sich inzwischen doch die Kunstvorstellung gravierend geändert. Tonangebend war nun der französische Akademismus.
Sir Joshua Reynolds würdigt 1774 durchaus die Kunst Steens und betrachtet es als Pech für diesen Maler, daß er nicht in Italien geboren wurde und so nie die Chance bekam, eine wirkliche Größe der Kunstgeschichte zu werden. Das hinterließ tiefe Spuren:
Selbst nach Lykle de Vries (1983) ist der „Humor„ für Steen wichtiger als das „decorum“.
Immer wieder wird in diesem Kontext H. Heine zitiert, der Steens Unbeschwertheit und Heiterkeit rühmte (2).

Mit Van Westrheene’s erster echter Biographie von 1856 begann eine Reihe langer Versuche, sowohl die künstlerische Leistung als auch den tieferen Sinn der Bilder Steens zu würdigen (3). Aber auch danach war Steen in Gefahr, entweder allzu vielschichtig und tiefsinnig ausgelegt zu werden, oder sozusagen auf der Gegenseite zum Chronisten volkstümlicher Possen zu werden. In allerjüngster Zeit gelingt es den Kunsthistorikern sowohl die Mythenbildung (Chapmann) als auch den eigenen Beitrag Steens dazu (de Vries) nüchterner zu analysieren. Ein Blick auf Steens Lebenslauf genügt um zu zeigen, daß er durchaus „normal“ zu nennen ist (4).

Er wurde als Sohn eines Brauereibesitzers in Leiden geboren. Möglicherweise hat er bei Adrian van Ostade, Jacob Wels und vielleicht auch bei Jan van Goyen, dessen Tochter Grietje er 1649 heiratete, gelernt. Als 1648 in Leiden eine Lucas-Gilde gegründet wird, ist er Gründungsmitglied. Als Vater von 6 Kindern hatte Steen, obwohl ungewöhnlich produktiv, wohl immer Existenzsorgen. 1654 bürgt der Vater für ihn, als er in Delft eine Brauerei pachtet. In diese Phase fallen Kontakte bzw. Einflüsse einiger Rembrandtschüler, wie z.B. Fabritius, Maes und van Hoogstraten. Unverkennbar ist auch der Einfluß der Leidener Feinmaler und Ter Borchs. Von 1660 - 70 hat Steen in Haarlem gelebt. Hier ist der Kontakt zu dem in Amsterdam lebenden Metsu wichtig. Die letzten 9 Jahre verbringt Stehen wieder in Leiden. Nach dem Tode seiner ersten Frau Grietje heiratet er 1673 die Witwe des (benachbarten) Buchhändlers Maria Herculens.

Steens immer aktuelle Bedeutung gründet sich auf verschiedene Fakten. Er inszeniert Leben und stellt sich mitten in diese Inszenierung (Chapman) Er ist Sammler, Eklektizist und Strukturalist: er baut Bilder aus unterschiedlichen Repertoirs und mit unterschiedlichen Bezügen. Er schafft in seinen Lebensbildern Modelle die mythische, Vergangenheit und Gegenwart verbindende Qualität haben. Er ist ganz Oberfläche und bietet dem Betrachter dennoch viele Mitspielgelegenheiten und Interpretationen an. (Alpers)
Er spielt geradezu mit Stilen, Gattungen, sozusagen Zuordnungen, „hoher“ und „niedriger“ Kunst, Klassizität und Volkstümlichkeit. Sicher geschieht das gelegentlich im Sinne von „Seht her, nicht nur Ter Borch kann einen Damast so fein malen!“ oder „...die klassische Komposition ist für uns Niederländer kein Problem“. Meistens geht es ihm aber um ein Vermenschlichen, Trivialisieren der Kunst. Er will zeigen, dass auch die würdigsten Szenen, die erhabensten Gefühle letztlich nur menschlich sind, ja, dass alles, was diesen Rahmen überschreitet, lächerlich gemacht werden muss, eben um der menschlichen Dimensionen willen.

Sicher nicht ganz zu Unrecht hat Thoré Bürger, ein eminenter Kenner der niederländischen Kunst des 17. Jahrhunderts, schon 1858 Jan Steen mit Moliere verglichen (5).


Literatur
(1) Houbraken, Arnold: De groote schouburgh der Nederlandtsche konstschilders en schilderessen. 3 Bde. Den Haag 1753

(2) Lykle de Vries. «Jan Steen zwischen Genre- und Historienmalerei.» In: Niederdeutsche Beiträge zur Kunstgeschichte. 22, S. 113-128

(3) Tobias van Westrheene: Jan Steen. Etude sur l´arten Hollande. Den Haag 1856

(4) Chapman u.a.( Hsg.): Jan Steen-.Maler und Erzähler. 1996

(5) Thoré- Bürger: Musées de la Hollande. 2 Bde. Brüssel 1858-1860.


(6) Criegern, Axel v. „Lustige Gesellschaft auf einer Gartenterrasse“. Ein Bild- Bild- Diskurs über ein Gemälde des niederländischen Malers Jan Steen ( 1626-1679), München 2006


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